Kleine Anfrage: Würgassen soll Logistikzentrum für das geplante Endlager Schacht Konrad werden: Unterstützt die Landesregierung die Standortentscheidung der BGZ?

Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte und Christian Meyer (GRÜNE) an die Landesregierung, eingegangen am 09.04.2020.

Die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) plant ein atomares Logistikzentrum für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll am Standort Würgassen an der Weser, direkt an der niedersächsischen Grenze. Die Landkreise Holzminden und Northeim sind somit unmittelbar von den Planungen betroffen.

Das Logistikzentrum in Würgassen soll für die Koordination der Abfallanlieferungen in das geplante Endlager Schacht Konrad dienen. Nach Angaben der BGZ soll die Lagerkapazität des geplanten Logistikzentrums 60 000 m³ betragen, was etwa 15 000 Behältern mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll entspreche. Die Bereitstellungshalle soll eine Größe von ca. 325 m x 125 m x 16 m haben, was einem Volumen von 650 000 m³ entspricht. Das zulässige Einlagerungsvolumen für das geplante Endlager Schacht Konrad beträgt rund 300 000 m³.

Die Benennung des Standortes Würgassen erfolgte am 6. März 2020 ohne vorgeschaltete Beteiligung der Öffentlichkeit, der betroffenen Kommunen oder der örtlichen Landtagsabgeordneten. Eine von der BGZ zunächst für den 18. März vorgesehene Informationsveranstaltung wurde wegen der Coronakrise auf unbestimmte Zeit verschoben.

Die SPD-Landtagsabgeordneten Pantazis und Rauls begrüßten in einer Pressemitteilung die Entscheidung pro Würgassen und forderten eine zügige Inbetriebnahme. Der CDU Landtagsabgeordnete Uwe Schünemann und die SPD-Landtagsabgeordnete Sabine Tippelt lehnten den Standort Würgassen jedoch ab.

Nach der Erstbewertung des Öko-Instituts für das Bundesumweltministerium werden mehrere sicherheitstechnische und logistische Kriterien der Entsorgungskommission des Bundes am Standort Würgassen nicht erfüllt. So fehle die Zweigleisigkeit der Bahnstrecke für täglich drei Volllastzüge mit Atommüll in Richtung Schacht Konrad. Auch forderte die Entsorgungskommission, dass das Bereitstellungslager nicht in einem hochwassergefährdeten Gebiet liegen dürfe. Im Gutachten des Öko-Instituts heißt es jedoch: „Bei Extremhochwasser (HQ extrem) ist auch eine Fläche nordöstlich des Kernkraftwerkgeländes von Überflutung betroffen, die für den ZBL-Standort genutzt werden soll. (…) Mit der aktuell vorliegenden Situation ist der Standort nicht vollständig hochwasserfrei. Hochwasserfreiheit ist aber für das Bereitstellungslager, die Logistikflächen und die Zuwegungen über Bahn und Straße auch bei Extremhochwasser sicher zu gewährleisten.“

Beobachtern erscheint der gewählte Abstand zur Wohnbebauung von nur 300 m als willkürlich. Bei 500 m oder 1000 m Abstand wie bei Windkraftanlagen wäre der Standort Würgassen aus dem Rennen. In einer gemeinsamen Resolution wenden sich die Bürgermeister und Gemeinderäte von Beverungen (Würgassen ist Ortsteil von Beverungen), Lauenförde (Niedersachsen) und Bad Karlshafen (Hessen) einstimmig gegen den Standort Würgassen.

1. War die Landesregierung an der Auswahl des Standorts für das geplante Logistikzentrum beteiligt?

2. Wenn ja, für welchen Standort hat sich die Landesregierung eingesetzt?

3. Befürwortet die Landesregierung den Standort Würgassen trotz der Proteste vor Ort?

4. Wann wurde die Landesregierung über die Auswahl des Standorts Würgassen informiert?

5. Hält die Landesregierung die Auswahl des Standorts Würgassen für nachvollziehbar und ausreichend begründet, auch vor dem Hintergrund der vom Öko-Institut geäußerten Kritik am Vorgehen der BGZ bei der Anwendung der Kriterien und der daraus folgenden Bewertung der Standorte?

6. Teilt die Landesregierung die Auffassung der Entsorgungskommission, dass ein möglicher Standort für ein Bereitstellungslager nicht in einem hochwassergefährdeten Gebiet liegen sollte?

7. Welchen Abstand zur Wohnbevölkerung hält die Landesregierung für ein solches Lager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll für geboten?

8. Versteht die Landesregierung Sorgen von Anwohnerinnen und Anwohnern, dass für Atomanlagen dieser Größe nur ein Sicherheitsabstand von 300 m zur Wohnbebauung gefordert wird, während die Bundesregierung für Windenergieanlagen einen Abstand von 1000 m fordert?

9. Warum wurden die Öffentlichkeit und die betroffenen Kommunen in Niedersachsen nicht ander Standortauswahl beteiligt?

10. Wann wurde von welcher Behörde bzw. welchem Gremium die Notwendigkeit eines Logistikzentrumsfür das Endlager Schacht Konrad festgestellt?

11. Stellt der Bau einer solchen Anlage eine wesentliche Planänderung beim Umgang mit radioaktiven Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung dar?

12. Wie soll rechtlich abgesichert werden, dass die Inbetriebnahme des geplanten Logistikzentrums strikt an eine Inbetriebnahme des geplanten Endlagers Schacht Konrad gekoppelt ist?

13. Welche Verweildauer sollen die radioaktiven Abfälle im geplanten Logistikzentrum haben?

14. Wie soll angesichts des geplanten Hallenvolumens von 650 000 m³ ausgeschlossen werden, dass die geplante Begrenzung des zulässigen Einlagerungsvolumens zu einem späteren Zeitpunkt aufgehoben wird?

15. Welcher Anteil der im Logistikzentrum umzuschlagenden Behältnisse soll zu Prüfzwecken o.Ä. geöffnet werden?

16. Ist geplant, beschädigte Abfallgebinde am Standort Würgassen zu reparieren bzw. neu zukonditionieren, oder ist dafür ein Weitertransport an externe Unternehmen vorgesehen?

17. Wie viele Atommülltransporte sind während der Betriebszeit zum geplanten Logistikzentrum zu erwarten?

18. Wie viele Atommülltransporte sind während der Betriebszeit vom geplanten Logistikzentrum zum geplanten Endlager Schacht Konrad zu erwarten?

19. Werden diese Transporte auf der Schiene oder auch auf der Straße abgewickelt?

20. Hält die Landesregierung das Schienen- und Straßennetz in den Landkreisen Holzminden und Northeim für ausreichend für die Abwicklung der Atomtransporte?

21. Teilt die Landesregierung die Forderung der Entsorgungskommission, dass für einen reibungslosen Ablauf der Transporte eine Zweigleisigkeit der Strecke notwendig ist?

22. Welche Auswirkungen erwartet die Landesregierung auf den Tourismus in der Region und die Naturparke Weserbergland und Solling-Vogler?

23. Welche Plan- und Genehmigungsverfahren sind erforderlich, und wie sieht der Zeitplan dafüraus? In welchem Umfang werden die Öffentlichkeit, betroffene Kommunen sowie das Land anden Verfahren beteiligt?

24. Welche Position zum Standort Würgassen und dem Verfahren hat die Landesregierung den Abgeordneten Uwe Schünemann (CDU) und Sabine Tippelt (SPD) auf ihre Proteste hin mitgeteilt?

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