Anfrage des Abgeordneten Christian Meyer (GRÜNE), eingegangen am 03.12.2020 mit Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 12.01.2021 (Drucksache 18/8287).
Vorbemerkung des Abgeordneten
Die NWZ berichtete am 30.03.2019: „Die Bemühungen der Gemeinde Visbek um die Ausweisung des umstrittenen ‚Gewerbegebiets Wildeshauser Straße‘ halten an: Im Rahmen eines sogenannten Heilungsverfahrens möchte die Wildeshauser Nachbarkommune das ehrgeizige Vorhaben nun endlich realisieren.
Zum Hintergrund: Nachdem vor Jahren bereits Anwohner, Umweltschützer und benachbarte Kommunen gegen das geplante, knapp 30 ha große Gewerbe- und Industriegebiet protestiert hatten, erklärte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg im November 2018 im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens den Bebauungsplan ‚Gewerbegebiet Wildeshauser Straße‘ für unwirksam.
Das Gericht war der Auffassung, dass durch die im Plan festgesetzten artenschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen nicht genügend sichergestellt wird, dass bezüglich der Vogelarten Wachtel, Rebhuhn und Feldlerche keine artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände verletzt werden. Entsprechende Vorgaben hatte der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutzgemacht.“ (https://www.nwzonline.de/oldenburg-kreis/wirtschaft/wildeshausen-politik-heilungsverfahren-fuer-gewerbegebiet-in-visbek_a_50,4,1430618641.html)
Die Planungen für das Gewerbegebiet sehen vor, das Oberflächenwasser auf Teilen des Gebiets um- und über Rohrleitungen in einen Vorfluter der Umgehungsstraße einzuleiten. Damit würde das Niederschlagswasser dem Varnhorner Wasserzug entzogen, der als Teil des Natura-2000-Schutzgebietes 049 „Bäken der Endeler und Holzhauser Heide“ ausgewiesen ist.
Vorbemerkung der Landesregierung
Der Rat der Gemeinde Visbek hat am 14.01.2020 im Rahmen eines Heilungsverfahrens den erneuten Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 87 „Gewerbegebiet Wildeshauser Straße“ gefasst. Der Bebauungsplan ist rechtskräftig. Im Rahmen der Neufassung der CEF- (Ausgleichsmaßnahmendes Artenschutzes) und Kompensationsmaßnahmen wurde die geforderte CEF-Fläche entsprechendden Vorgaben in Abstimmung mit dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) im Frühjahr 2020 angelegt und wird im Rahmen eines Monitoringverfahrens überwacht. Erste Bruterfolge bei den Offenlandbrütern Feldlerche und Schafstelze konnten auf der Fläche bereits festgestellt werden.
Nach Angaben der Gemeinde werden aktuell die Erschließungsmaßnahmen im Gewerbegebiet durchgeführt. Ein großes Klärbecken, das Regenrückhaltebecken sowie die Erschließungsstraße befindensich bereits im Bau. Mit der Fertigstellung wird im Herbst 2021 gerechnet.
Im Planaufstellungsverfahren wurden vielfältige Maßnahmen getroffen, um eine gezielte Grundwasserneubildung zu ermöglichen und negative Auswirkungen auf die Grundwasserkörper zu verhindern.
Das Oberflächenwasser wird überwiegend in die Langenesch eingeleitet und gelangt von dort in dieTwillbäke, die wiederum in die Aue als Teil des angesprochenen FFH-Gebietes mündet.
Die bestehende Entwässerung und die natürliche Regenwasserableitung werden weiterhin in dasvorhandene Regenrückhalte- und Versickerungsbecken sowie in ein Gewässer III. Ordnung in Richtungder nordwestlich gelegenen Bauerschaft Varnhorn abgeleitet, beziehungsweise das Oberflächenwasser aus einem Teil des Gewerbegebiets kann in den dort neu geplanten Maßnahmenflächen versickern. Das Gewässer III. Ordnung mündet in ein Erdbecken ohne Ablauf. Zusätzlich kann künftig Oberflächenwasser durch eine entsprechende Regenwasserabführung im Rahmen der Erschließung des Gewerbegebietes bedarfsgerecht gezielt den vorhandenen Regenrückhalte- und Versickerungsbecken zugeführt werden.
Eine Gewässeranbindung an den Varnhorner Wasserzug im Bereich des FFH-Gebietes 049 nördlichder Bauerschaft Varnhorn bestand nie. Das Einzugsgebiet des Varnhorner Wasserzuges erstreckt sich zwar bis zu den neuen Gewerbeflächen; der mit der zukünftigen Bebauung der Gewerbefläche entstehende Flächenverlust im Einzugsbereich ist aber gering. Darüber hinaus wird der größere südliche Teil des geplanten Gewerbegebietes bereits durch die vorhandene Landesstraße vom natürlichen Zuflussbereich des Varnhorner Wasserzuges getrennt.
Zusätzlich sollen die künftigen Gewerbetreibenden vertraglich verpflichtet werden, je nach Bodenbeschaffenheit für eine Versickerung etwa durch Rigolenversickerung vor Ort zu sorgen.
1. Welche Auswirkungen hat das geplante Gewerbegebiet auf die Grundwasserneubildung (bitte je betroffenem Grundwasserkörper aufführen)?
Antwort der Landesregierung: Das geplante Gewerbegebiet an der Wildeshauser Straße liegt vollständig im Bereich des Grundwasserkörpers Hunte Lockergestein links mit einer Gesamtfläche innerhalb Niedersachsens von 1.238 km2 und einer nutzbaren Dargebotsreserve von jährlich 3,04 Millionen m3.
Erhebliche Auswirkung durch das auf einer Fläche von etwa 38 ha geplante Gewerbegebiet auf die Grundwasserneubildung dieses Grundwasserkörpers sind nicht zu erwarten, da
– die zukünftig innerhalb des Gewerbegebietes versiegelte Fläche in Bezug auf die Gesamtflächedes Grundwasserkörpers zu vernachlässigen ist und
– das Niederschlagswasser der zukünftig versiegelten Flächen in einem Regenrückhaltebecken vor Ort zurückgehalten werden soll, dort versickert oder über Vorfluter auch in die innerhalb des Schutzgebietes gelegene Twillbäke abgeleitet wird (siehe Vorbemerkung der Landesregierung).
2. Welche Auswirkungen hat das geplante Gewerbegebiet auf den Wasserhaushalt umliegender Schutzgebiete?
Antwort der Landesregierung: Die Entfernung des geplanten Gewerbegebietes zum nächst gelegenen Schutzgebiet beträgt mehr als einen Kilometer. Auswirkungen auf dessen Wasserhaushalt sind nicht zu erwarten, da der überwiegende Teil des Gewerbegebietes durch die vorhandene Landesstraße bereits vom natürlichen Zuflussbereich des Varnhorner Wasserzuges getrennt ist und das Niederschlagswasser der geplanten versiegelten Flächen künftig über ein Regenrückhaltebecken sowie vorhandene Vorfluter in die Twillbäke und damit in das Schutzgebiet geleitet wird (siehe Vorbemerkung der Landesregierung).
Das Einzugsgebiet des südlichen Vorfluters vergrößert sich mit dem Anschluss des Plangebiets lediglichum 2,3 %, und der Abfluss aus dem Regenrückhaltebecken entspricht weniger als dem natürlichen Abfluss aus einem unbebauten Gebiet der entsprechenden Größe. Aufgrund dieser starken Regenrückhaltung wird ein Rückhaltebecken mit einem Rückhaltevolumen von ca. 11 000 m3 Wassererforderlich. In Bezug auf die Wasserqualität wird ein Regenklärbecken zur Vorreinigung des anfallenden Oberflächenwassers dem Regenrückhaltebecken vorgeschaltet. Dieses hat die Aufgabe, das Niederschlagswasser zu entschlammen und gleichzeitig Schwimmstoffe und Leichtflüssigkeiten zurückzuhalten.
3. Inwiefern hat die Gemeinde Beratung durch das Land in Anspruch genommen hinsichtlich der Auswirkungen der Planungen auf den Natur- und Wasserhaushalt? Wenn ja, inwiefern wurden die Empfehlungen des Landes berücksichtigt?
Antwort der Landesregierung: Die Bauleitplanung wurde mithilfe eines Planungsbüros durchgeführt. Im Rahmen des vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens nach dem Baugesetzbuch konnten sich die Träger öffentlicher Belange einbringen. Die entsprechenden Landesdienststellen wie der NLWKN, die Niedersächsischen Landesforsten, die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr sowie der Landkreis Vechta als untere Naturschutz- und Wasserbehörde waren eingebunden.
Die neue CEF-Fläche wurde nach den Vorgaben des NLWKN erstellt. Daneben hat die zuständige Hunte-Wasseracht schon bei Erstellung des Entwässerungskonzeptes wie auch bei der Entwurfsplanung zur Ableitung des Oberflächenwassers beratend mitgewirkt.
Grundsätzlich ist bezüglich der Bauleitplanung festzustellen, dass das Land Niedersachsen keinen direkten Einfluss auf Verfahren und Inhalte eines Bauleitplanverfahrens nehmen darf. Die städtebauliche Entwicklung liegt allein in der Entscheidung der Städte und Gemeinden. Artikel 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz bestimmt diese gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie. Die Stellungnahmen und Empfehlungen der Landesdienststellen wurden von der Gemeinde im Rahmen der Abwägung nachdem Baugesetzbuch entsprechend behandelt.
4. Wurde die Alternative eines interkommunalen Gewerbegebiets mit der Stadt Wildeshausen nach Einschätzung des Landes durch die Gemeinde ausreichend geprüft, um einen Standort mit möglichst geringen Auswirkungen auf den Natur- und Wasserhaushalt zu identifizieren?
Antwort der Landesregierung: Aufgrund einer konstant hohen Gewerbeflächennachfrage und mit der Zielsetzung der Bereitstellung eines dem Bedarf entsprechenden attraktiven Angebots an gewerblichen Bauflächen zur Stärkung der lokalen Wirtschafts- und Arbeitsmarktstruktur wurden die erforderlichen Planungen nach Angaben der Gemeinde 2012 eingeleitet und konkretisiert. Eine entsprechende Bedarfsberechnung sowie eine umfangreiche Standortanalyse wurden durchgeführt.
Entlang der Wildeshauser Straße entwickelte die Stadt Wildeshausen parallel ebenfalls Wohn- und Gewerbegebiete. Eine Erweiterung des Gewerbegebietes „Wildeshauser Straße“ auf das Gebiet der Stadt Wildeshausen wurde dabei nach Angaben der Gemeinde Visbek nicht angestrebt, vielmehr wurde gegen das Vorhaben der Gemeinde Visbek seitens der Stadt eine Normenkontrollklage eingereicht. Nach Gesprächen auf Verwaltungsebene und mit Vertretern beider Räte wurde die Normenkontrollklage seitens der Stadt Wildeshausen nicht weiterverfolgt. Nach einer gemeinsamen Absichtserklärung wird nunmehr geprüft, inwieweit sich künftig interkommunale Gewerbegebiete entwickeln lassen.
Der Senat des OVG Lüneburg hatte bereits 2016 keine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots festgestellt.
Hinsichtlich der Standortfrage und -alternativen wird auf die kommunale Planungshoheit der Gemeinden verwiesen, dieses im Rahmen eigener Verantwortung zu prüfen und zu entscheiden (ansonsten siehe Ausführungen zu der Antwort der Frage 3, letzter Absatz).