Rede zu Tagesordnungspunkt 27:
Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zum Ersten Medienänderungsstaatsvertrag - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs.18/6914 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs.18/8019 - dazu: Schriftlicher Bericht - Drs.18/8039 - dazu gemäß §23 Abs.1 Satz 2 GOLT: Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aktiv gestalten - Antrag der Fraktion der FDP - Drs.18/8101
- Es gilt das gesprochene Wort -
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Herr Kollege Saipa, das Verhalten, das die CDU in Sachsen-Anhalt an den Tag gelegt hat, haben Sie gestern als „staatsgefährdend“ bezeichnet. Ich darf aus Ihrer Pressemitteilung zitieren: „Das Vorgehen von Ministerpräsident Haseloff und zuvor dem geschassten Innenminister Stahlknecht ist skandalös.“
Das muss man auch noch einmal sagen: Es ist staatsgefährdend, was dort passiert. Es geht dort nicht um die 86 Cent Rundfunkgebührenerhöhung, sondern es geht um einen Eingriff in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der ist nach mehreren Verfassungsgerichtsurteilen nicht erlaubt.
Ich zitiere auch noch einmal den sachsen-anhaltinischen Ex-CDU-Innenminister Herrn Stahlknecht wie er begründet hat, warum er der Gebührenerhöhung nicht zustimmt. Zitat: Die Öffentlich-Rechtlichen berichten zu oft mit dem „Zeigefinger der Moralisierung“. Das ist ein Eingriff in die innere Freiheit und in die Medienvielfalt!
Meine Damen und Herren,
das ist höchstrichterlich verboten. Ich zitiere das Bundesverfassungsgericht: „Die Gebühr darf nicht zu Zwecken der Programmlenkung oder der Medienpolitik eingesetzt werden.“ Das ist ein Originalzitat von 1993. Der Artikel 5 des Grundgesetzes „verlangt für die Festsetzung der Rundfunkgebühren ein Verfahren, das dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die zur Erfüllung seiner Aufgabe ... erforderlichen Mittel gewährleistet und ihn vor Einflussnahmen auf das Programm wirksam sichert“.
Das wurde 2007 noch einmal bestätigt. Damals sind auch einige Länder von der durch die unabhängige KEF vorgeschlagenen Erhöhung der Rundfunkgebühren abgewichen. Damals ist man um 2 Cent unter der empfohlenen Gebühr geblieben. Was hat das Bundesverfassungsgericht 2007 entschieden? Das war verfassungswidrig. Denn: Die Öffentlich-Rechtlichen haben ein Recht auf eine ausreichende Finanzierung. Es gibt die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und es muss die Vielfalt festgestellt werden. Wenn die CDU in Sachsen-Anhalt sich jetzt sozusagen mit AfD-Positionen gemein macht, das sei ein links-grüner Funk, dann ist das schon fatal. Es ist auch spannend, dass Frau Kramp-Karrenbauer, Ihre Noch-CDU-Vorsitzende, dieses Verfahren gedeckt und gesagt hat: Da soll doch über den Staatsvertrag nicht abgestimmt werden, obwohl 15 Länder diesem sozusagen zugestimmt haben - wir ja hoffentlich heute auch.
Ich will die CDU hier in Niedersachsen ja auch einmal ausdrücklich loben, dass sie, nicht wie die CDU in Sachsen-Anhalt, sagt, dass sie das nicht mitmacht. Spannend ist ja für mich auch, mir Ihren Koalitionsvertrag in Niedersachsen anzuschauen. Darin steht nämlich auch, dass Sie die größtmögliche - hier steht sogar drin: die größtmögliche - Beitragsstabilität gewährleisten, Zeile 2961. Erfreulicherweise sehen Sie - anders als Ihre Kollegen in Sachsen-Anhalt - keinen Verstoß gegen den Koalitionsvertrag.
Und was die FDP betrifft: Herr Birkner muss ja gleich begründen, warum er hier, anders als seine Parteikollegen in Schleswig-Holstein, wo die FDP mitregiert und zugestimmt hat, abstimmt - Sie haben zumindest im Ausschuss entschieden, dass sie hier nicht zustimmen wollen. Warum die FDP anders abstimmt als die FDP in Rheinland-Pfalz, die zugestimmt hat, und warum Sie anders abstimmen als in Nordrhein-Westfalen, wo es eine schwarz-gelbe Regierung gibt, die übrigens auch das Ziel der Beitragsstabilität im Koalitionsvertrag hat. Alle diese Länder, die dieses hehre Ziel haben, stimmen dieser Beitragserhöhung zu. Nur die CDU in Sachsen-Anhalt hat damit ein Problem.
Die Rundfunkgebühren: Reden wir doch noch einmal über diese 86 Cent. Der aktuelle Rundfunkbeitrag liegt bei 17,50 Euro. Er ist gesunken, als wir die Haushaltsgebühr eingeführt haben, und er ist seit elf Jahren nicht angehoben worden, während die Kosten steigen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender haben massive Sparprogramme, über die wir uns alle beklagen, wenn in Hannover beispielsweise das Open-Air-Konzert vom NDR eingespart wird.
Der NDR hat - unabhängig von den Erhöhungen - in den nächsten Jahren das härteste Sparprogramm seiner Geschichte: 300 Millionen Euro werden in den nächsten vier Jahren eingespart. Das betrifft 10% des Personals. Es wird bei freien Mitarbeitern massiv gespart. Das betrifft auch die Inhalte: Das Medienmagazin „Zapp“ fällt weg.
Im Rundfunk fallen viele Sachen weg, und das in diesen Zeiten, in denen wir eine hohe Akzeptanz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben. Übrigens gibt es in Sachsen-Anhalt eine repräsentative Umfrage. Die Mehrheit der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt sieht das anders als die CDU in Sachsen-Anhalt. Sie stimmt der maßvollen Gebührenanhebung sogar zu.
Bevor auch die AfD wieder ihre Position deutlich macht, die Bevölkerung wolle es nicht: In der Schweiz gab es 2008 ein Volksbegehren der Rechten gegen den Rundfunkbeitrag. Die Schweiz hat übrigens einen der höchsten Rundfunkbeiträge. In der Volksabstimmung haben sich 71% gegen die Initiative zur Abschaffung der Rundfunkgebühren und für den dortigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgesprochen.
Dieser hat einen großen Rückhalt in der Bevölkerung, gerade in Corona-Zeiten. Wir brauchen Qualitätsjournalismus, gerade gegen Fake News. Wir brauchen Unabhängigkeit und Neutralität, aber wir brauchen keine Eingriffe ins Programm, das die Medienvielfalt wiedergibt. Das ist unsere Vierte Gewalt. Die hat sich weder vor der Zweiten Gewalt - vor den Parlamenten - noch vor der Ersten Gewalt - der Exekutive - zu rechtfertigen. Sie soll uns kontrollieren, sie soll uns kritisieren, wo es nötig ist. Deshalb stehen wir dazu, dass wir diese Gebührenerhöhung unbedingt brauchen. Übrigens ist die KEF-Empfehlung nur die Hälfte dessen, was die Sender eigentlich wollten und brauchten. Auch das zeigt, wie moderat die Erhöhung ist.