Anfrage: Eingriffe in das Vogelschutzgebiet Rheiderland

Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung

Abgeordneter Christian Meyer (GRÜNE)

Innerhalb und im Umfeld des Vogelschutzgebietes Rheiderland kumulieren aktuell eine Vielzahl von Planungen und Projekten, von denen offensichtlich schon heute negative Einflüsse auf das Schutzgebiet ausgehen. Es ist zu befürchten, dass dieser wichtige Raum für Rast- und Brutvögel weiter beeinträchtigt wird. So liegen dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) Anträge der Firmen EWE, WINGAS und E.ON zur Herstellung von Erdgaskavernen zur Genehmigung vor. Die Erteilung der Genehmigung für die Kavernenfelder der Firmen EWE und WINGAS war vom LBEG für Januar 2008 angekündigt worden und soll jetzt im März 2008 erfolgen. Nach meiner Kenntnis wurden die staatlichen Naturschutzbehörden, insbesondere die staatliche Vogelschutzwarte in diesen Genehmigungsverfahren nicht beteiligt.

Auf einer Veranstaltung des Arbeitskreises "Landwirtschaft und Ökologie" am 26. Februar in Jemgum wurde von Fachleuten berichtet, dass der Bestand einiger für die Ausweisung als EU-Vogelschutzgebiet ausschlaggebender Brutvogelarten, wieUferschnepfe und Kiebitz im Rheiderland in den letzten fünf Jahren bedrohlich zurückgegangen ist. Bei der Uferschnepfe ist der Brutbestand im Nordteil des Rheiderlandes von 273 Paaren in 2002 auf 170 Paare in 2007 (-38%) zurückgegangen. Beim Kiebitz wurden 2002 noch 461 Brutpaare und im vergangenen Jahr nur noch 371 Paare (-20%) gezählt. Die Bestände sind von einem ohnehin niedrigen Niveau nochmals eingebrochen, obwohl die EU-Vogelschutzrichtlinie ausdrücklich einen "günstigen Erhaltungszustand" der wertgebenden Arten in den Vogelschutzgebieten vorsieht. Das Land hat damit im Rheiderland die Verpflichtungen der EU-Vogelschutzrichtlinie eindeutig nicht erfüllt.

Die Bestandsrückgänge im Rheiderland können offenbar auch an anderer Stelle nicht kompensiert werden. Die Ostfriesen Zeitung schreibt dazu: "Auch das rund 400 Hektar große Schutzgebiet Marienchor/Hatzumerfehn hat den Rückgang der Brutpaare bisher offenbar nicht aufhalten können." Das Schutzgebiet war vor fünf Jahren als Ersatzmaßnahme für den Autobahnbau geschaffen worden.

In diesem Raum Niedersachsens sind zudem Standorte für neue Kohlekraftwerke in der Diskussion. Neue Kohlekraftwerke, wenn sie trotz der klimapolitischen Bedenken gebaut werden sollten, würden die Errichtung neuer Höchstspannungsstromtrassen erfordern, um den an der Küste erzeugten Strom dorthin abzuführen, wo er verbraucht werden kann. Neue Stromtrassen würden den Naturraum im Rheiderland erheblich belasten.

Angesichts der bereits erfolgten und noch zu erwartenden Eingriffe in das Vogelschutzgebiet im Rheiderland und in seinem Einzugsbereich ist nicht erkennbar, wie die Landesregierung die weitere Entwertung des Vogelschutzgebietes aufhalten und der Verpflichtung nachkommen will, dieses Gebiet nicht nur zu erhalten sondern weiterzuentwickeln.

Ich frage die Landesregierung:

  • 1.       Wie ist der Stand der Genehmigungsverfahren für die beantragten Kavernenfelder im Nordwesten Niedersachsens?
  • 2.       Welche Stellungnahmen zu welchen einzelnen naturschutzfachlichen Gesichtspunkten im Zusammenhang mit den beantragten Kavernenfeldern hat das LBEG von welchen kommunalen und staatlichen Stellen angefordert bzw. erhalten?
  • 3.       Inwieweit wurden in diesen Verfahren vom LBEG naturschutzfachlichen Stellungnahmen der Naturschutzbehörden berücksichtigt?
  • 4.       Welche naturschutzfachlichen Gutachten sind im Rahmen des Genehmigungsverfahrens von den Antragstellern oder der Genehmigungsbehörde in Auftrag gegeben worden und zu welchen Ergebnissen kommen diese Gutachten in Hinsicht auf die Auswirkungen der geplanten Vorhaben?
  • 5.       Wurde oder wird im Genehmigungsverfahren für die hier angesprochenen Projekte jeweils eine Verträglichkeitsprüfung nach Artikel 6 der FFH-Richtlinie mit welchen Ergebnissen durchgeführt? Falls keine Verträglichkeitsprüfungen durchgeführt worden sind: Warum wurden sie nicht durchgeführt?
  • 6.       Mit welchem Ergebnis wurden, wie in Artikel 6 der FFH-Richtlinie gefordert, die summarischen Auswirkungen der in diesem Raum bereits realisierten oder geplanten Projekte auf das EU-Vogelschutzgebiet Rheiderland geprüft?
  • 7.       Durch welche Maßnahmen im Einzelnen soll der massive Bestandsrückgang der wertgebenden Vogelarten aufgehalten und im Weiteren die Entwicklungsziele der Vogelschutzrichtlinie erreicht werden?
  • 8.       Welche schädlichen Auswirkungen sind durch Wasserentnahme für die Aussohlung der Kavernen und das Einleiten von solegesättigtem Wasser in die Ems zu erwarten?
  • 9.       Welche möglichen Beeinträchtigungen von Vogelschutzgebieten und FFH-Gebieten an der Küste und im Nordwesten Niedersachsens könnten vom Bau neuer Kohlekraftwerke ausgehen, wenn die bisher vorliegenden Kenntnisse und Erfahrungen von anderen Standorten als Grundlage für eine Abschätzung der Folgen herangezogen werden?
  • 10.    Auf welchen Stromtrassen müsste Strom von neuen Kohlekraftwerken an den möglichen Standorten Emden, Dörpen, Wilhelmshaven und Stade in die Verbrauchszentren abgeleitet werden und welche abschätzbaren Auswirkungen auf Natura 2000 Gebiete und andere Schutzgebiete wären zu befürchten?
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